Dexys Midnight Runners: Warum Sänger Kevin Rowland kurz nach dem Welthit "Come On Eileen" pleite war (2024)

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SPIEGEL: Was konnten Sie bei Ihrer Friseur-Ausbildung für die spätere Musikkarriere lernen?

Rowland: Vor allem, wie man gut aussieht. Und dass man sich nicht schämen sollte, wenn man Freude daran hat, sich in Schale zu werfen. Als ich aufwuchs, galt es in meiner Umgebung als oberflächlich, sich für Mode zu interessieren. Ich hatte eben Spaß daran. Die Schule verließ ich früh und begann eine Ausbildung zum Friseur. Darin war ich gut, wollte den Beruf aber nie wirklich ausüben und beschloss, der Musik doch eine Chance zu geben. Schon als Kind hatte ich davon geträumt. Mit 23 glaubte ich, dass in dieser Branche auch ein Platz für mich sein müsste. Und dann erlebte ich ein paar Konzerte, wo ich mir dachte: Das kannst du auch!

SPIEGEL: Über gut vier Jahrzehnte blieben Sie das einzige ständige Bandmitglied bei Dexys Midnight Runners - ein strikter Chef, der auch auf die Fitness und Kleidung seiner Musiker achtete. War's Kontrollzwang?

Rowland: Ich wusste immer, was ich will: Ist es klug, vor einem Auftritt Alkohol zu trinken? Nein, ist es nicht! Angetrunken auf einer Bühne zu stehen ist peinlich. Solche Regeln machte ich der Band klar und erinnere mich nicht an nennenswerten Widerspruch. Man muss als Künstler eine Vision haben, mit Kompromissen ist die nicht umzusetzen. Vielleicht war ich manchmal etwas zu streng.

SPIEGEL: "Come On Eileen" konnte 1982 niemand überhören, einer der größten Hits des Jahrzehnts. Ahnt man beim Schreiben, dass ein Song so ein Potenzial hat?

Rowland: Er war anstrengend in der Entstehung, aber tatsächlich merkte ich, dass er besonders ist. Ich spürte, dass mir Magie widerfährt. Es war wie ein Geschenk in höchster Not - denn die Plattenfirma hasste uns.

SPIEGEL: Wieso das?

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Rowland: Die mochten uns nie besonders. Ihr Umgang mit uns war stets leidenschaftslos. Nach dem Erfolg mit unserem ersten Album blieben die Hits aus, der Ton wurde strenger. Als ich einem Angestellten eine frühe Version von "Come On Eileen" vorspielte, machte er deutlich, wie wenig er den Song mag. Ich erwiderte, dass er zum Teufel gehen soll. Denn ich war gestresst, und es stand viel auf dem Spiel für die Band. Aber auch mein Manager sagte irgendwann: Das funktioniert nicht, lass es! Eigentlich glaubte außer mir keiner an "Come On Eileen".

SPIEGEL: Dann geschah ein Wunder?

Rowland: Genau so war's! Der für uns zuständige Plattenfirmenmensch wollte mir "Come On Eileen" als Single ausreden, als ein Mitarbeiter aus der Radioabteilung zufällig am Büro vorbeilief, kurz lauschte - und rief: Kann ich das mal von Anfang an hören? Er lauschte länger, kam herein und sagte: Das ist ein verdammter Hit, das muss die Single sein! Ihm verdanke ich die Veröffentlichung. Wir sind immer noch befreundet.

SPIEGEL: War die besungene "Eileen" tatsächlich eine Jugendliebe von Ihnen?

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Fotostrecke

"Come On Eileen" und Kevin Rowland: "Das ist ein verdammter Hit!"

Foto:

Brian Cooke/ Redferns / Getty Images

Rowland: "Eileen" wurde von einigen katholischen Mädchen, die ich kannte, inspiriert. Gut, von einer ein bisschen mehr, aber es ist doch eine Mischung. Deren Geschichten liegen alle eng beisammen: Da träumen irische katholische Teenager vom ersten Sex, der ihnen untersagt ist. Und ja, ich war mit so einem Mädchen mal zusammen.

SPIEGEL: Die Astronauten der Raumfähre "Discovery" wurden 2015 morgens im Weltall von Ihrem Hit geweckt, weil die Chefin eine gewisse Eileen Collins war. Ist es seltsam, wenn ein Song so ein Eigenleben entwickelt?

Rowland: Solche Geschichten sind einfach nur toll. Und ich bin wirklich dankbar für den Erfolg, er hilft mir auch darüber hinweg, dass ich danach viele falsche Entscheidungen getroffen habe.

SPIEGEL: Darüber kursieren viele Gerüchte von schweren Drogenabstürzen bis zur Obdachlosigkeit. Aber Sie müssen doch ein Vermögen mit "Come On Eileen" verdient haben. Wo war das Geld geblieben?

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Rowland: Das ging für Kokain drauf. Sehr viel, nicht alles. Ich wurde auch um viel Geld betrogen. 1985 war ich dann bankrott, drei Jahre nach "Come On Eileen", eigentlich unvorstellbar. Aber obdachlos bin ich nie gewesen. Das ist nur ein Gerücht.

SPIEGEL: Nach einer Entziehungskur veröffentlichten Sie 1999 das Soloalbum "My Beauty", das lange als spektakulärer Flop galt und mittlerweile gefeiert wird. Was lief damals schief?

Rowland: Irgendwie alles. Als ich dann im Entzug eine Musiktherapie absolvierte, kamen viele Songs wie "Greatest Love Of All" zurück, die in meinem Leben wichtig waren, mich mal tief berührt haben und mir aus der Finsternis jener Jahre geholfen haben. Mir wurde klar, dass ich die Songs aufnehmen will.

SPIEGEL: Dafür haben Sie einige der Texte leicht abgewandelt. Auch Bruce Springsteens "Thunder Road", was der "Boss" angeblich nicht mochte und die Veröffentlichung untersagte. Warum ist der Song auf der Neuauflage nun zu hören?

Rowland: Weil die Geschichte unwahr ist. Der Song landete damals nur deshalb nicht auf dem Album, weil meine Plattenfirma verschwitzt hatte, Springsteens Management um Erlaubnis zu bitten. Ich hatte ihm ein Jahr vor der Veröffentlichung einen langen Brief geschrieben, warum ich den Text ändern musste, aber den haben die nie abgeschickt. Jetzt bekam Bruce Springsteen meinen Brief und gab sofort grünes Licht. Ich bin so glücklich, dass das noch geklappt hat. Er soll meine Version sogar mögen, erzählte man mir.

SPIEGEL: Für Aufsehen sorgte auch das Cover, das Sie halb nackt, im Slip und geschminkt zeigt. Waren Sie geschockt von den ablehnenden Reaktionen?

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Rowland: Nach meinem Entzug wollte ich klarmachen, dass ich nicht der harte Kerl bin, als der ich immer aufgetreten war. Irgendwie traf ich mit dem Foto einen Nerv, dann schlug mir furchterregender Hass entgegen. Ich war am Boden zerstört und bemühte mich verunsichert, wieder männlicher aufzutreten, was ich rückblickend bitter bereue. Danach ließ ich mir sogar einen Bart wachsen und trug Biker-Stiefel. Irre.

SPIEGEL: Im neuen Video zum alten Song "Rag Doll" ist nun Ihr Enkel Roo als Crossdresser zu sehen. Haben Sie mit ihm über Ihre turbulenten Jahre gesprochen?

Rowland: Nein, der ist 17, und reden musste ich nicht mit ihm über meine Vergangenheit - das hat er alles online gelesen. Ich wollte für den Clip junge Leute, die so aussehen wie ich damals. Da fiel mir mein Enkel ein, der gern mal Kleider und Make-up trägt, seit er 13 ist. Roo sagte sofort zu und musste sich nicht mal verkleiden. Er kam einfach so, wie er auch sonst rumläuft. Wir hatten viel Spaß!

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SPIEGEL: Ihr letztes Album erschien vor vier Jahren. Haben Sie Pläne, wann es weitergeht?

Rowland: Nein. An neuer Musik arbeite ich nicht mehr. Es liegen ein paar halb fertige Songs herum, aber mir fehlt einfach die Lust, sie zu beenden. Musik ist für mich Stress: Wenn ich an neuen Songs arbeite, bin ich so unter Strom, dass ich nächtelang wach liege. Ich habe keine Lust mehr, mir das anzutun, und genieße lieber mein Leben.

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Author: Geoffrey Lueilwitz

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